Welches grundlegende Problem adressiert Ihr?
Im Mai 2024 wurden vor einer Zürcher Universität Unmengen neuwertiger Regale und andere Büromöbel entsorgt, da man nicht wusste, wie sie deren Weitergabe zu organisieren oder zu koordinieren wäre. Genau so, nur in grösserem Ausmass, ergeht es allen Unternehmen, die seit Corona und durch die Einführung von Home Office einen beachtlichen Teil ihrer Büromaterialien und Infrastruktur-Ausstattung nicht mehr benötigen. Oder Schulen, die ihr Mobiliar stetig ersetzen. Derzeit fehlt diesen Institutionen jedoch eine Möglichkeit, diese Gegenstände unkompliziert und effektiv im Kreislauf zu halten.
Städte wie Zürich oder einzelne Institutionen wie die ZHdK entwickeln zunehmend Angebote, die das unkommerzielle Weitergeben von Gegenständen fördern(1). Im Kleinen schaffen auch Vereine und Private zusehends Weitergabe-Angebote wie Bücherschränke und Tauschnischen (2). Noch fehlt jedoch ein Konzept, um zirkuläre Angebote grundsätzlich zu systematisieren und im digitalen Raum zu verstärken. Das hat zur Folge, dass nur wenige Akteur:innen, ob privat oder institutionell, die Möglichkeit vom Teilen / Weitergeben auch wirklich wahrnehmen und die bestehenden Angebote lediglich in einer Nische stattfinden.
Von Nicolas Esseiva (Coordinator Circular Economy, ERZ) und Adrian Brazerol (ZHdK, Werkstattleitung) wissen wir aus erster Hand, dass Nachfrage nach einem digitalen Begleit-Konzept besteht und die Bereitschaft gross ist, dieses an den eigenen Angeboten zu testen. Das ERZ schafft momentan mit dem Tauschanhänger beim Cargotram, den Weitergabe-Zonen in den Recyclinghöfen und dem geplanten Josy-Areal mit Weitergabe-Zone ein breites Angebot. Die ZHdK hat seit 2023 betreute Zirkulationszonen, die von Haushaltsgegenständen über Textilien, Werkstattmaterialien bis zu Elektrischem, Allerlei bieten. Beide Organisationen haben jedoch keine Kapazität, diese dargebotenen Gegenstände sinnvoll zu erfassen, das Angebot in die Breite zu tragen und somit für alle zugänglich zu machen.
Hier setzen wir an. Denn das digitale Potential für unkommerzielles Verteilen ist riesig. Unser Projekt ermöglicht es, die bestehenden Weitergabe-Zonen zu stärken und es zeitgleich Institutionen wie auch Einzelpersonen leicht zu machen, gebrauchte Gegenstände weiterzugeben und Neukäufe effektiv zu vermeiden. Während des Pilot, setzen wir folgende Prioritäten, um diesem Ziel näher zu kommen:
1. Priorität: Test des Konzepts mit zwei bestehenden Zirkulationszonen und Recyclinghöfen
2. Priorität: Aufbau einer Community von Interessierten und Verschenker*innen
3. Priorität: Suche nach weiteren Partnerschaften und Kooperationen
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1. Priorität: Test des Konzepts mit zwei bestehenden Zirkulationszonen und Recyclinghöfen
In bestehenden Weitergabe-Zonen können interessierte Personen momentan, ohne die digitale Anbindung, nur vor Ort sehen, welche Objekte tagtäglich abgegeben werden. Mit der digitalen Anbindung, wird es auch von zu Hause aus möglich, die Objekte zu sehen und zu suchen. Wir sind überzeugt, dass durch die einfache Zugänglichkeit mehr Menschen motiviert werden, Dinge weiterzugeben oder zu nehmen (3). Indem sie sehen, welche Ressourcen zur Verfügung stehen, sind sie eher bereit, sich an der Weitergabe-Zone zu beteiligen, was die Wiederverwendungsquote steigert und Abfall vermeidet.
Diese Annahmen testen wir zusammen mit den bestehenden Weitergabe-Zonen der Stadt Zürich und der ZHdK. Konkret wird dies so aussehen: In den beiden Weitergabe-Zonen wird mittels QR-Code auf unser Tool verwiesen. In diesem Tool können Nutzer*innen ein Foto mit Beschrieb ihrer mitgebrachten Objekte teilen und anderen damit zugänglich machen. Um auch eine Möglichkeit für Menschen ohne Telefon anzubieten, soll eine Installation vor Ort angebracht werden, die auf Knopfdruck ein Foto (mit AI-generiertem Beschrieb) in das Tool hochlädt.
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2. Priorität: Aufbau einer Community von Interessierten und Verschenker*innen Anstatt nur in den Weitergabe-Zonen Objekte zu deponieren, können Nutzerinnen auch von Zuhause aus Objekte online stellen. Im Tool können sie sich, nach dem Hochladen von Fotos und Beschreibung, direkt mit anderen Nachbarinnen austauschen. Diese Möglichkeit steigert das Objektvolumen erheblich, da die Hürde, ein Objekt an einen Ort bringen zu müssen, übergangen und damit die Convenience gesteigert werden kann. Zudem werden die Wege kürzer, was weitere Emissionen umgeht. Durch die Weitergabe an der Haustür werden nicht nur neue Kontakte in der Nachbarschaft geknüpft, sondern auch neue Perspektiven im Quartier eröffnet. Zudem werden auch Menschen involviert, die wegen fehlender Mobilität am analogen Angebot gar nicht teilhaben können und trotzdem etwas zum Verschenken haben.
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3. Priorität: Suche nach weiteren Partnerschaften und Kooperationen Durch die Pilotierung mit der Stadt Zürich und der ZHdK und dem parallelen Aufbau einer teilfreudigen Community erhoffen wir uns, auch bei anderen potenziellen Partner:innen Interesse für das Projekt zu wecken und sie von der Einfachheit und Effektivität von Sharing-Economy zu überzeugen.
In Kürze: Durch das Online-Angebot wird die analoge Weitergabe-Zone folgendermassen unterstützt:
- Verstärkung und Verbindung bestehender Initiativen
- Maximierung des Sharing-Potenzials bestehender Angebote
- Niederschwellige Zugänglichkeit und damit mehr Teilende
- Mehr Inklusion eines grösseren Teils der Stadtbevölkerung
- Ausführliche Dokumentation der Objekte
- Grössere soziale Komponente
Welche Gewohnheiten möchtet Ihr durch welchen Ansatz wie verändern oder mainstreamen?
Die zwei momentan vorherrschenden Verhaltensmuster (Unbenutztes entsorgen / Benötigtes neu kaufen) sind hochoptimiert und sehr bequem. Die nachhaltigeren, zirkulären Lösungen haben hier dringenden Aufholbedarf. Hier setzen wir mit unserem Tool an. Indem es digitale und analoge Lösungen verknüpft und so gegenseitige Synergien schafft, wird die Convenience auch bei Weitergabe-Angeboten erhöht.
- Wer einen Gegenstand braucht, soll automatisch zuerst auf zirkuläre Angebote zurückgreifen, anstatt ein neues Produkt zu kaufen
- Weiterverschenken soll die neue Norm werden für funktionale Dinge, die man nicht mehr benötigt.
Eine weitere zentrale Zielgruppe des Projekts sind die Organisationen und Institutionen, welche über enorme Teilmöglichkeiten verfügen, diese aber derzeit nicht ausschöpfen resp. sie nur einer kleinen Gruppe zugänglich machen können. Diese werden durch unser Tool befähigt, auf einfache und schnelle Art die dargebotenen Objekte einer breiten Bevölkerungsschicht zugänglich zu machen und deren Rückführung in den Kreislauf somit zu erhöhen.
Woran möchtet ihr während des Boosters arbeiten?
Unser Ziel ist es, bestehende Weitergabe-Angebote zu vernetzen, ihre Reichweite zu vergrößern und das Verschenken einfacher zu gestalten. Zusätzlich wollen wir ein nachhaltiges Geschäftsmodell entwickeln, damit wir auch intern nachhaltig arbeiten können.
Roadmap: Die beiden Pilot-Orte ZHdK (Zirkulationszonen) und ERZ (Cargotram und Josy Areal) werden gleichzeitig getestet.
1. und 2. Monat: Test ohne digitale Anbindung. Erfassen der Objekte, jedoch kein Teilen auf der Plattform. Parallel startet unser Volunteer Team die Integration neuer digitaler Funktionen (1-Klick-Listing, Upload für Andere, Profilfunktionen). Konkret liegt hier der Fokus auf dem Erfassen des Status Quo, damit wir im Anschluss auch einen Vergleichswert haben.
3. und 4. Monat: Test-Mainstreaming Test mit digitaler Anbindung. Erfassen der Objekte in Echtzeit im Tool. Parallel dazu fokussiert sich unser Volunteer Team darauf, ein skalierbares Tool mit Hilfe der Partnerinstitutionen ZHdK und ERZ zu entwickeln.
3. bis 5. Monat: Während die Installationen weiterlaufen, kann ein Teil des Teams ihre Energie in die Entwicklung eines klimagerechten Geschäftsmodells stecken. Nur so kann das Tool langfristig im Einsatz bleiben und noch weitere Organisationen zum Mitmachen anregen.
6. Monat: Der letzte Monat dient der Auswertung und Weiterentwicklung der Kooperationen, der Installationen und des Tools. Der Abschluss bietet ein Event, zu dem alle Beteiligten eingeladen werden.