Welches grundlegende Problem adressiert ihr?
Das aktuelle Landwirtschafts- und Ernährungssystem ist nicht nachhaltig und trägt weltweit und auch in der Schweiz zu diversen Krisen bei (Biodiversitäts- und Bodenverlust, Klimawandel, Mangel und Fehlernährung, etc.). Ein grundlegendes Problem ist die Entfremdung vieler Menschen von der Natur; vor allem in den Städten sind bei vielen Bewohner:innen der direkte Bezug zur Natur sowie das Wissen über die Zusammenhänge, die für die Sicherung unserer Ernährung essentiell sind, weitgehend verloren gegangen. Durch die ständige, breite Verfügbarkeit von Lebensmitteln in den Supermärkten, die zahlreichen Ansprüchen genügen müssen (einfache, kostensparende Logistik, Verarbeitung oder Konsumation, makelloses Aussehen, Transportfähigkeit, Haltbarkeit etc.), wissen viele Menschen nicht mehr, wie und wie vielfältig Karotten und andere Gemüse wachsen, wie viel Aufwand notwendig ist, bis sie im Laden verfügbar sind, wann sie Saison haben, und welche Gemüse in der eigenen Region wachsen können. Mit diesem Wissens- & Bezugsverlust einher gehen eine mangelnde Wertschätzung für die Herstellung unserer Nahrungsmittel, Food-Waste und weitere Probleme.
Welche Gewohnheiten möchtet Ihr durch welchen Ansatz wie verändern oder mainstreamen?
Wir möchten den alltäglichen Umgang mit Lebensmitteln verändern – hin zu mehr Bewusstsein, Saisonalität, Regionalität und sozialem Miteinander. Unser Ansatz dafür sind Selbsterntegärten.
Durch das eigene Ernten entsteht ein ganz neues Verhältnis zu Lebensmitteln. Wer Woche für Woche aufs Feld kommt, sieht, wie aus kleinen Setzlingen etwa ein Fenchel heranwächst; wer ihn selbst erntet und später auf dem Teller hat, entwickelt ein tiefes Verständnis für den Wert von Nahrung. Man beginnt, Herkunft, Saison und den Aufwand hinter dem Anbau zu schätzen – Lebensmittel werden nicht länger als selbstverständlich wahrgenommen.
Diese Erfahrung verändert die Essgewohnheiten nachhaltig. Nach zwei Jahren konsequenter Selbsternte greift man im Winter nicht mehr unbedacht zu Tomaten und Gurken – weil man spürt, was Saisonalität bedeutet.
Unser Ziel ist es, dieses bewusste Erleben von Ernährung in den Alltag zu integrieren – so selbstverständlich wie Zähneputzen. Selbsternte soll kein Zusatzangebot sein, sondern ein Teil des täglichen Lebens: Zum Beispiel, indem man nach Feierabend das Abendessen pflückt – ein kurzer Moment, der Erdung bringt, entspannt und die Verbindung zur Natur stärkt.
Darüber hinaus schaffen die Gärten einen sozialen Raum. Im Garten sind alle gleich – ob Managerin oder Coiffeur, ob jung oder alt, ob politisch links oder rechts. Man teilt Gemüse und Rücksicht: Die grossen Kohlrabis gehen an Grossfamilien, die kleineren an ältere Menschen, die sich über handlichere Portionen freuen. Dieser Austausch fördert Solidarität und Verständnis zwischen Generationen und Lebensrealitäten.
Selbsterntegärten bringen nicht nur frisches, regionales Gemüse direkt vor die Haustür (oft nur wenige hundert Meter entfernt) – sie machen Ernährung wieder zu einem persönlichen, gemeinschaftlichen und achtsamen Erlebnis. So kann eine neue Alltagskultur entstehen: gesünder, solidarischer, nachhaltiger – und ganz selbstverständlich Teil unseres Lebens.
Woran möchtet ihr während des Boosters arbeiten ?
- Wissenschaftlich und transdisziplinär ein Mainstreaming-Modell für Selbsterntegärten in Städten erarbeiten. Folgende wissenschaftliche Fragen können beantwortet werden:
- Welche Informationen brauchen potenzielle neue Partner:innen/Garten-Betreiber:innen? Welches können solche Partner:innen sein (Gemeinden, Firmen, Kirchen, Genossenschaften…)? Wie können diese kontaktiert werden? Wer könnte zuständig sein für ein Projekt Selbsterntegarten in einer Genossenschaft, Firmengelände etc.? Grundlageninformationen zusammentragen und aufbereiten (evt. Mit Website, Flyer, Broschüren), damit diese Selbsterntegärten beworben werden können.
- Kontakte mit möglichen Partnern, die bereit sind, einen Selbsterntegarten umzusetzen, knüpfen;Vorträge und Projektvorstellung bei städtischen Akteuren, um das Konzept bekannt zu machen
- Entwicklung eines selbsttragenden Geschäftsmodells für die Umsetzung des Mainstreaming-Konzeptes.